Früher hat man sich für 400 Mark ein Interrailticket gekauft und ist damit kreuz und quer durch Europa gefahren. Das ist vorbei. Heute muss man sich ein paar Wochen frei nehmen, Fahrpläne und Routen studieren, Sitzplatzkapazitäten prüfen, vorher wissen, wie oft man Halt machen will und wie lange man wo bleibt, mit welchem Zug man weiterfährt und dann, nachdem man mehrfach versucht hat, die korrekten Geburtsdaten der Reisenden einzugeben, irgendwann aufgeben und akzeptieren, dass alle drei im Januar und am selben Tag geboren sein sollen, weil das System anderes nicht annimmt, um dann festzustellen, nachdem man das Mobiltelefon schon nass geschwitzt hat und sich selbst nur noch nach Urlaub sehnt – mit dem Auto, dem Flugzeug oder zu Fuß, aber Hauptsache nicht mit der Bahn und schon gar nicht per Interrail, dass man die Züge, die man sich rausgesucht hat, gar nicht nehmen kann, weil es keine Interrail-Kontigente für Sitzplätze gibt. Dafür reisen wir nun zu einem sehr passablen Preis durch Frankreich, drei Pohlmann-Frauen, die alle im Januar geboren sind. 🙂

Im ICE in Deutschland wurde alles kontrolliert: der Impfnachweis, die Testergebnisse, die Tickets, die Reservierungen, sogar die Uhrzeit, ab wann wir losgefahren sind. Dann ging es weiter mit dem TGV. Ich hatte alles schon parat: meinen Impfnachweis, die Testergebisse der Mädchen, die Tickets, die Reservierungen. Nachdem der Kontrolleur das erste Ticket von uns Dreien gesehen hatte, winkte er ab und wünschte uns eine gute Reise, wir sollten durchgehen und rein in den Zug. Im Zug selbst wurde zweimal auf die Speisekarte im TGV im Wagen 14 hingewiesen, man freue sich auf Gäste, alles stünde bereit, aber niemand kam, um das Ticket zu kontrollieren, geschweige denn den Impfnachweis und die Testergebnisse.

In Paris wohnten wir privat in Menilmontant, im Ausgehviertel bei der rue Oberkampf in einer kleinen, ruhigen Seitenstraße und stellten fest: Gegenüber von unserer Unterkunft hatte einst Edith Piaf gewohnt! Paris soll bald autofrei werden, die Anfänge kann man schon sehen: Am ehesten in der Rue de Rivoli, einer ehemaligen Durchgangsstraße, die jetzt komplett autofrei ist. Auch an den Ufern der Seine fahren keine Autos mehr und es macht großen Spaß, dort zu flanieren, sich in einen Liegestuhl zu legen und die vorbeiziehenden Schiffe zu beobachten oder den Musikern zuzuhören oder sich unter einem der Sprinkler zu erfrischen. Paris war nicht nur ein Fest für die Augen (allein die Opera Garnier ist so prächtig, ein Glitzern und Bling Bling, dass die Mädchen unzählige Videos und Fotos geschossen haben), sondern auch eins fürs Herz. Ich habe ehemalige Freunde wiedergetroffen, darunter jemanden, den ich sei 34 (!) Jahren nicht mehr gesehen habe. Am Telefon sagte er immer nur: „C’est bizarre Bettina, c’est top bizarre de te revoir“. Wir verabredeten uns am unteren Ende der Rue Mouffetard, weil er um die Ecke wohnt und wir damals sehr oft zusammen in dieser Gegend waren und Antonia und Helen rätselten bei jedem Mann, der sich näherte: „Das könnte er sein! Der guckt so suchend. Ist er groß?“ usw. Es war ein schöner und bewegender Abend. Bei anderen Freunden waren wir zum Essen eingeladen und gingen zusammen an der Marne spazieren. – Paris hatte mich schon damals erobert und ist und bleibt meine zweite Heimat. Oder wie Antonia für sich feststellte: „Un coup de foudre“ (Liebe auf den ersten Blick).

Le Castellet en Provence

Nach Paris dann per TGV nach Marseille und von dort weiter in die Provence. In meine Lieblingsgegend, zwischen Marseille und Toulon. Hierher zieht es vor allem französische Touristen, denn die Orte – bis auf Cassis vielleicht – sind weniger bekannt, aber für mich ist jeder Ort mit einer Erinnerung verbunden und ich finde allein die Küste traumhaft schön. (Das Hinterland sowieso). Die Berge, die oft steilen, atemberaubenden Küstenstraßen, die mittelalterlichen Dörfer und die kleinen Buchten, in denen viele Künstler (u.a. die Familie von Thomas Mann) im Exil gelebt hatte. Wir selbst wohnen mitten auf dem Land, 16 km von der Küste entfernt, bei Le Castellet. Die Landschaft ist wunderschön, unser Garten auch, nur die Inneneinrichtung des Hauses ist – sagen wir – ungewöhnlich. Vermieter nannten es „wie bei der provenzalischen Großmutter“. Dafür haben wir zwei große Tische im Garten, einen Blick in die Weite, Rosmarinbüsche groß wie Bäume und Natur um uns herum.

Bald geht es zurück nach Marseille, und von dort zu einem Abstecher an die Côte bleue, an die Küste mit Orten, die aussehen, als hätte der „petit Nicolas“, der kleine Nikolas, dort gelebt. Über Strassburg geht die Interrailtour dann zurück. Von drei Pohlmann-Frauen, alle im Januar geboren… A bientôt! 🙂

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