Wir sind am Ende der Welt, in einer fast Corona-freien Zone, weit weg von dem Virus und seinen Folgen, ein Leben in einem friedlichen, harmlosen Paradies, ein Leben auf einer Wolke. – Noch. In Neuseeland gibt es nach aktuellem Stand sechs Coronafälle, und nun hat die Regierung beschlossen, dass man sich nach Einreise nach Neuseeland für 14 Tage in Quarantäne begeben muss. Die Schulen geben Warnhinweise aus, ansonsten ist alles wie immer. Man umarmt sich noch in Neuseeland, man geht am Wochenende aufs Wasser oder in den Regenwald oder auf ein Festival. Gerade ist in Nelson das französische Filmfestival angelaufen, mit fantastischen Filmen und ich bin außerdem der „Nelson Film Society“ beigetreten und gehe insofern oft ins Kino am Abend. Unvorstellbar, dass zu Hause die Kino-, Konzert-und Theatersäle geschlossen haben. Wir leben hier ein bisschen wie im Bullerbü Land, die Mädchen gehen jeden Morgen zur Schule, sie haben Schwimmwettbewerbe zusammen mit hunderten von anderen Schülern, sie machen Touren mit Übernachtung in Zelten im Regenwald und sie haben Unterricht. Alle Geschäfte haben geöffnet, es gibt keine Hamsterkäufe – außer für Cola, Toastbrot und Schokolade von Whittakers – die am meisten gekauften Dinge in den Supermärkten Neuseelands, wir gehen auf den Markt, schwatzen mit unseren Bekannten und hören Musikern zu, wie AJ Hickling, einem Neuseeländer aus der Gegend hier, der gerne seine selbst komponierten Stücke auf einem Piano vom Sperrmüll zum Besten gibt, um am nächsten Tag im großen Konzertsaal auf einem Steinway Flügel zu spielen. Wir waren bei seinem Konzert, wollten ihn wiedersehen, und haben nicht nur seine Musik und Fingerfertigkeit bewundert, sondern auch die Geschichten, die er zwischendurch zum Besten gab. Sehr sympathisch, der Mann.

Eben noch auf dem Markt…
einen Tag später im Konzertsaal…

In anderen Momenten jedoch ist Corona ganz nah, heute morgen auf einer Farm zum Beispiel, als uns Reisende erzählten, dass ihr Flug nach Europa storniert sei, weil Singapur Airlines nicht mehr fliegt. Wann und wie sie nach Hause können, wussten sie noch nicht. Wenn auch Deutschland nachzieht und die Grenze dicht macht, kommen wir ebenfalls nicht zurück, vielleicht müssen wir aber auch erst einmal in Quarantäne nach der Rückkehr. Manchmal habe ich in diesen Tagen Angst zurück zukehren in ein Leben, das an diesem Ort, aus der Ferne, sehr unwirklich klingt. Sehr bedrohlich, denn was wir von Freunden hören (und in den Medien lesen), klingt nach einer Apokalypse, nach einem Science Fiction Szenario. Hinzu kommt die Angst einiger meiner Kollegen um ihre Existenz, weil sie Aufträge auf ungewisse Ferne verschieben müssen oder ganz absagen. Gestern habe ich mit Antonia und Helen wieder eine Abendwanderung durch einen Regenwald zu Glühwürmchen gemacht und als wir zurückkamen, breitete sich über uns ein Teppich aus Sternen aus. Wir waren in den Marlborough Sounds, neben der Golden Bay einer meiner Lieblingsgegenden hier und es war so still, so friedlich, der Sternenhimmel und die Milchstraße so gewaltig, dass wir ganz klein wurden vor Ehrfurcht und mir plötzlich viele Fragen durch den Kopf gingen. Es tut gut, in der Natur zu sein, inmitten von grunzenden Hausschweinen (wie waren auf einer kleinen Farm), Schafen und Ziegen. Essen im Freien, Schlafen in Stockbetten und Kochen in einer Gemeinschaftsküche quasi auf dem Feld. Einfach und einfach himmlisch!

Wir haben dann das gemacht, was Neuseeländer so gerne machen am Wochenende, wenn sie nicht gerade Kajak fahren oder mit ihrem Jetboat. Wir haben uns Mountainbikes ausgeliehen und sind den Queen Charlotte Track den einen Tag auf der einen, am nächsten Tag auf der anderen Seite wie soll ich sagen? Geradelt trifft es nicht. Rauf-und untergedonnert? Geackert? Geschwitzt? Es war steil. Es war gefährlich, weil schmal und auf der eine Seite ins Bodenlose abfallend. Wir sprangen mit dem Fahrrad über Brücken und Baumwurzeln. Es war irre anstrengend. Und es war verdammt nochmal genial! Nicht nur die Fahrten, auch das kühle Bad im glasklaren Wasser zwischendurch.

Zwischendurch ein Bad…

Unser Alltag im fast coronafreien Bullerbü-Hobbitland geht weiter. Wir genießen noch immer den Spätsommer und unseren Hausstrand, der ähnlich wie dieses besondere Licht Neuseelands je nach Tageszeit immer wieder anders erscheint.

Morgens
Mittags
Nachmittags
Abends

Eine Antwort auf „Corona aus der Ferne

  1. Man kann Dir eigentlich nur raten, so lange wie möglich in Neuseeland zu bleiben und dort oder sonst wo in der Südsee Dein Einkommen zu sichern. Das wird aber vermutlich wegen der dortigen Einreisebestimmungen nicht so einfach sein. Vielleicht gibt es wegen Corona ja Ausnahmen?
    Ein bisschen genießen wir aber auch die Ruhe und den Frühling, die beide in Hamburg gerade über uns hereinbrechen. Trotz aller Existenzängste bleibt es schön, das Leben genießen zu können.

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